Konzept &
Struktur
CLIPSS
Konzept
Videoportal
Literatur
Weiterführend
Konzept & Struktur: CLIPSS
Die theoretische Grundlage für das CLIPSS-Lehr-Lernmaterial bildet das Linzer Konzept der Klassenführung
(LKK; Lenske & Mayr, 2015) mit seinen
drei Kategorien Beziehungsförderung, Unterrichtsgestaltung und Verhaltenskontrolle. Jede Kategorie wird
durch 8 zugehörige Handlungsstrategien abgebildet (vgl. Tab. 1). Unter Klassenführung werden sowohl im
LKK als auch im vorliegenden CLIPSS-Material (in Anlehnung an Evertson & Weinstein, 2006) alle
Handlungen einer Lehrkraft verstanden, die eine für akademisches und sozial-emotionales Lernen
förderliche Lernumwelt schaffen. Darüber hinaus stärkt Klassenführung in diesem Sinne die physische und
psychische Gesundheit von allen Beteiligten bzw. beeinträchtigt diese nicht (Lenske & Mayr, 2015).
Tabelle 1: Kategorien und Handlungsstrategien der Klassenführung gemäß LKK (Lenske & Mayr, 2015)
KATEGORIE: |
HANDLUNGSSTRATEGIEN: |
BEZIEHUNG (Förderung sozialer Beziehungen in der Klasse) |
Authentizität – Wertschätzung – Verstehen – Kommunikation – Mitbestimmung –
Gemeinschaftsförderung – positive Emotionalität – Humor |
KONTROLLE (Kontrolle des Verhaltens der Schüler*innen) |
Klarheit der Verhaltensregeln* – Allgegenwärtigkeit – Beschäftigung der Schüler*innen –
Leistungsforderung – Kontrolle des Arbeitsverhaltens – Eingreifen bei Störungen – Bestrafung –
positive Verstärkung |
UNTERRICHT (Gestaltung des Unterrichts) |
Fachkompetenz – Bedeutsamkeit der Lernziele – Strukturiertheit des Unterrichts* –
Erklärungsqualität – Interessantheit des Unterrichts – Klarheit der Arbeitsanweisungen –
positive Erwartungshaltung – Lernstandsrückmeldung |
*Anmerkung: Im Rahmen des CLIPSS-Projekts werden die Strategie „Klarheit der
Verhaltensregeln“ als „Regeln-Routinen-Rituale“ und „Strukturiertheit des Unterrichts“ als
„Strukturiertheit“ bezeichnet.
Die dem LKK zugrundeliegenden Kategorien und Strategien finden sich in unterschiedlichen Konzepten zur
Klassenführung wieder. Die Aspekte der Beziehungsförderung werden bspw. durch die Roger‘schen
Dimensionen Empathiefähigkeit und Verständnis, unbedingte Wertschätzung, Wärme, Echtheit und
Nicht-Direktivität (schüler:innenzentrierte, selbstgesteuerte Aktivitäten; Rogers, 1959; Siwek-Marcon,
2022) abgebildet. Die Kategorie Unterrichtsgestaltung umfasst die prozessoptimierenden und
prozessmotivierenden Strategien wie sie bspw. bei Kounin (1976, 2006; z. B. Überdrussvermeidung und
Reibungslosigkeit im Sinne von Verfahrensregeln) oder Seidel (2009, z. B. Abwechslung und
Herausforderung sowie Förderung der Lernmotivation, unter Rückbezug auf Weinert, 1996) dargelegt werden.
Die Strategien der Kategorie Verhaltenskontrolle beziehen sich auf jene Facetten, die
Unterrichtsstörungen vorbeugen bzw. eindämmen und die herkömmlich unter „Classroom Management“ (vgl.
Emmer & Sabornie, 2015) subsumiert werden. Als maßgeblich hierfür gelten überwiegend die Ergebnisse aus
den Forschungsarbeiten von Kounin (1976, 2006), die bspw. durch die Strategien Allgegenwärtigkeit;
Beschäftigung aller Schüler:innen; Klarheit der Verhaltensregeln bzw. Etablieren von Regeln, Routinen
und Ritualen abgebildet werden. Eine erfolgreiche Klassenführung berücksichtigt die 24 Handlungsstrategien aus dem LKK und
steht im positiven Zusammenhang mit Lernstrategien, der Einstellung zum Fach und zur Lehrkraft und im
negativen Zusammenhang mit Problemverhalten (vgl. Abb. 1). Zu berücksichtigen ist dabei, dass je nach
Klasse, Unterrichtssituation und Lehrkraft unterschiedliche Schwerpunkte im Einsatz der Strategien zu
setzen sind.
Abbildung 1: Folgt...
Literatur
Emmer, E. T. & Sabornie, E. J. (2015). Handbook of Classroom Management: Research, Practice, and
Contemporary (2nd Ed.). Routledge.
Evertson, C. M. & Weinstein, C. S. (Hrsg.) (2006). Handbook of classroom management. Lawrence Erlbaum
Association.
Kounin, J. S. (1976, 2006). Techniken der Klassenführung. In D. H. Rost (Hrsg.), Techniken der
Klassenführung. Standardwerke aus Psychologie und Pädagogik. (Reprint. Band 3.) Waxmann.
Lenske, G. & Mayr, J. (2015). Das Linzer Konzept der Klassenführung (LKK). Grundlagen, Prinzipien und
Umsetzung in der Lehrerbildung. Jahrbuch für Allgemeine Didaktik, 71-84.
Rogers, C. R. (1959). A Theory of Therapy, Personality, and Interpersonal Relationships as Developed in
the Client-Centered Framework. In S. Koch (Ed.), Psychology: A Study of Science (pp. 184–256).
McGraw-Hill.
Seidel, T. (2009). Klassenführung. In E. Wild & J. Möller (Hrsg.) Pädagogische Psychologie.
Springer-Lehrbuch. Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-540-88573-3_6
Siwek-Marcon, P. (2022). Klassenführung durch Beziehung. Grundlagen und Handlungsstrategien. Kohlhammer.
Konzept: Videoportal
Das CLIPSS-Portal ist (nach Verifizierung) frei zugänglich. Es richtet sich an alle, die sich in der
Lehrkräftebildung verorten und praxisnahe Lehr-Lernprozesse initiieren möchten, d. h. (angehende)
Lehrkräfte, Dozierende, Fortbildende, Fachleitende und Schulleitungen.
CLIPSS bietet videobasierte Lehr-Lernmaterialien zur Förderung von klassenführungsbezogenen Kompetenzen.
Für die lernförderliche Wirkung videobasierten Lehr-Lernmaterials in der Lehrkräftebildung gibt es
bereits zahlreiche empirische Befunde (vgl. Steffensky & Kleinknecht, 2016), auch unter dem Fokus auf
die Förderung von klassenführungsbezogenen Kompetenzen (Gold et al., 2013; Gold et al., 2020; Hellermann
et al., 2015; Ophardt et al., 2014). Videos bieten bereits Studierenden ein Fenster zur Praxis (z. B.
Gold et al., 2013), indem authentische Unterrichtssituationen analysiert bzw. reflektiert werden. Der
für realen Unterricht typische Druck, unmittelbar reagieren zu müssen, entfällt bei der Bearbeitung von
Videovignetten, sodass kritische sowie gelungene Aspekte einer Unterrichtssituation umfassend und
kollaborativ aus einer gewissen Distanz analysiert bzw. reflektiert werden können.
Unsere inszenierten Videovignetten basieren auf einem Drehbuch und sind somit simuliert (im Rahmen von
Theater-Arbeitsgemeinschaften oder Schauspielprojekten an kooperierenden Schulen). Durch inszenierte
Videovignetten kann die Passung zwischen Lernziel und Vignetteninhalt optimiert werden (Belz, 2020),
indem die für den Lernprozess relevanten Inhalte (bei Bedarf verdichtet) ins Zentrum gerückt und
irrelevante Inhalte von vornherein exkludiert werden (vgl. Lenske, et al., 2022). Unsere Videovignetten
fokussieren i. d. R. 1–3 Handlungsstrategien der Klassenführung aus dem Linzer Konzept der
Klassenführung (LKK; Lenske & Mayr, 2015). Ferner bieten inszenierte Videovignetten die Möglichkeit,
auch diskutable bzw. eher kritische Unterrichtssituationen aufzuzeigen, ohne Schüler:innen oder Lehrende
bloß zu stellen (dies vereinfacht darüber hinaus auch die Einhaltung datenschutz- und urheberrechtlicher
Bestimmungen). Unsere Videovignetten bilden jeweils dieselbe unterrichtliche Ausgangssituation mit
variablen Lehrkraft- und infolge dessen, variablem Schüler:innenhandeln ab. Damit ermöglicht CLIPSS eine
kontrastierende Betrachtung derselben unterrichtlichen Ausgangssituation, wobei stets eher gelungene
Varianten und weniger gelungene Varianten differenziert werden. Auf Basis der weniger gelungenen
Varianten kann insbesondere das Wissen um mögliche Konsequenzen bei nicht adäquatem
Klassenführungsverhalten seitens der Lehrkraft gefördert werden, während durch die eher gelungenen
Varianten insbesondere das Wissen um situationsadäquate Prozeduren (konkrete Umsetzung von
Klassenführungsstrategien) im Sinne von Modelllernen adressiert wird. Insofern steht das
anwendungsbezogene Professionswissen, explizit das konditional-prozedurale Klassenführungswissen als
Teil des pädagogisch-psychologischen Professionswissens (vgl. Lenske et al., 2015; Voss et al., 2015) im
Zentrum der Professionalisierung. Zu jeder unterrichtlichen Ausgangssituation gibt es eine
Kurzbeschreibung, welche die fokussierte(n) Klassenführungsstrategie(n) sowie relevante
Kontextinformationen skizziert. Darüber hinaus stehen zu allen Vignetten weitere Lehr-Lernmaterialien
zur Verfügung, wie bspw. Drehbücher, Transkripte, Elterninterviews, Schüler:inneninterviews, Impulse für
die Reflexion und Beobachtungsaufgaben.
Literatur
Benz, J. (2020). Lehren und Lernen mit Vignetten in allen Phasen der Lehrerbildung – eine Einführung. In
M. Friesen, J. Benz, T. Billion-Kramer, C. Heuer, H. Lohse-Bossenz, M. Resch & J. Rutsch (Hrsg.),
Vignettenbasiertes Lernen in der Lehrerbildung (S. 12–27). Juventa.
Gold, B., Förster, S. & Holodynski, M. (2013). Evaluation of a video-based training to foster the
professional vision of classroom management in elementary classrooms. Zeitschrift für Pädagogische
Psychologie, 27, 141–155. https://doi.org/10.1024/1010-0652/a000100
Gold, B., Pfirrmann, C. & Holodynski, M. (2020). Promoting Professional Vision of Classroom Management
through different analytic perspectives in video-based learning environments. Journal of Teacher
Education, 72, 431–447. https://doi.org/10.1177/0022487120963681
Hellermann, C., Gold, B. & Holodynski, M. (2015). Förderung von Klassenführungsfähigkeiten im
Lehramtsstudium. Die Wirkung der Analyse eigener und fremder Unterrichtsvideos auf das strategische
Wissen und die professionelle Wahrnehmung. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische
Psychologie, 47, 97–109. https://doi.org/10.1026/0049-8637/a000129
Lenske, G., Bönte, J., van Bebber, R. & Leutner, D. (2022). Das CLIPSS-Videoportal (Classroom management
In Primary and Secondary Schools) – Inszenierte Videovignetten zur Förderung professioneller
Kompetenzen. In M. Holodynski, N. Meschede, R. Junker & V. Zucker (Hrsg.). Lehren und Forschen mit
Videos in der Lehrkräftebildung (S. 59 – 75). Münster: Waxmann.
Lenske, G. & Mayr, J. (2015). Das Linzer Konzept der Klassenführung (LKK). Grundlagen, Prinzipien und
Umsetzung in der Lehrerbildung. Jahrbuch für Allgemeine Didaktik, 71-84.
Lenske, G., Thilmann, H., Wirth, J., Dicke, T. & Leutner, D. (2015). Evaluation eines Tests zur
Erfassung des pädagogisch-psychologischen Professionswissens von Lehrkräften: Evaluation des
ProwiN-Tests. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 18, 225–245.
https://doi.org/10.1007/s11618-015-0627-5
Ophardt, D., Piwowar, V. & Thiel, F. (2014). Unterrichtsentwicklung im Bereich Klassenmanagement. Welche
Rolle spielen simulations- und videobasierte Lerngelegenheiten für Reflektion und Transfer? Engagement,
32, 263–271.
Steffensky, M. & Kleinknecht, M. (2016). Wirkungen videobasierter Lernumgebungen auf die professionelle
Kompetenz und das Handeln (angehender) Lehrpersonen. Ein Überblick zu Ergebnissen aus aktuellen
(quasi-)experimentellen Studien. Unterrichtswissenschaft, 44, 305-321.
Voss, T., Kunina-Habenich, O., Hoehne, V. & Kunter, M. (2015). Stichwort pädagogisches Wissen von
Lehrkräften: Empirische Zugänge und Befunde. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 18, 187–223.
https://doi.org/10.1007/s11618-015-0626-6
Weiterführende Literatur
Lenske, G., Bönte, J., van Bebber, R. & Leutner, D. (2022). Das CLIPSS-Videoportal (Classroom management
In Primary and Secondary Schools) – Inszenierte Videovignetten zur Förderung professioneller
Kompetenzen. In M. Holodynski, N. Meschede, R. Junker & V. Zucker (Hrsg.). Lehren und Forschen mit
Videos in der Lehrkräftebildung (S. 59 – 75). Waxmann.
Lenske, G., van Bebber, R., Bönte, J. & Leutner, D. (2021). Das Videoportal CLIPSS der Universität
Duisburg-Essen. In Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Referat Qualitätsförderung Schule
(Hrsg.), Fachbroschüre Lehren und Forschen mit Videos in der Lehrkräftebildung (S.15–17).
https://www.aufstiegs-bafoeg.de/SharedDocs/Publikationen/de/bmbf/3/31696_Lehren_und_Forschung_mit_Videos_in_der_Lehrkraeftebildung.pdf?__blob=publicationFile&v=2
Lenske, G. & Mayr, J. (2015). Das Linzer Konzept der Klassenführung (LKK). Grundlagen, Prinzipien und
Umsetzung in der Lehrerbildung. Jahrbuch für Allgemeine Didaktik, 71-84.
Seethaler, E., Hecht, P., Krammer, G., Lenske, G. & Pflanzl, B. (2021). LLEKlas –
Lehr-/Lernarrangements zum Erwerb von Klassenführungsstrategien: Ein Lehrveranstaltungskonzept für die
Lehramtsausbildung. HLZ Herausforderung Lehrer_innenbildung - Zeitschrift zur Konzeption, Gestaltung und
Diskussion, 4(1), 44-71. https://doi.org/10.11576/hlz-3968